Adam war wieder nicht in Schönbrunn, bin auch schon um eins gegangen, sechzig Längen geschwommen, weil es dort so schön war, ein Mann hat zu einem anderen gesagt: Ist das Ketchup? Der Andere: Macho! Ich war es diesmal nicht. Adam ist nicht gekommen, obwohl ich die Steintreppe im Auge behalten habe. Ist er krank geworden, ins Kamptal gefahren oder geht er wieder ins Stadthallenbad? Vielleicht war er ja noch auf der Filmakademie. Heute war es nämlich wirklich nicht kalt. Ich hätte noch drei Kilometer schwimmen können. Er kann ja später gekommen sein. Jetzt trage ich einmal diese schweren ROLAND RAINER Bücher auf die Angewandte. Und wenn er jetzt in ein Freibad geht, wo das Wasser geheizt ist? Nein, das würde er mir nicht antun. Voriges Jahr ist er ja auch immer wieder für zwei Wochen verschwunden. Am Dienstag habe ich ihn angeschaut, während ich schwamm, habe die kleinen Falten auf seinem Bauch gesehen und hätte ihn am liebsten sofort umarmt, jetzt muss ich immer daran denken. Ich will diesen zarten, süßen Bauch streicheln und küssen. Habe eine LOMO-Kamera gewonnen, wollte mein ehemaliges Haus in der Zenogasse photographieren, aber es ging nicht. Unter dem Obelisken hat mir ein Tourist erklärt, wie es funktioniere, du musst sie aufziehen, er habe dieselbe. Er ging dann auch ins Schwimmbad, vielleicht war er gar kein Tourist. Sah schon von oben, vom Hügel aus, dass Adam schwimmt, weil ich ihn an seinen unnachahmlichen Bewegungen erkenne, es war schon nach elf Uhr, habe mich so beeilt. Ich hatte die Regel, aber wollte schwimmen, habe mir ein Tampon in die Vagina gestoßen und mir vorgestellt, dass es sein Schwanz sei. Habe von der Balustrade aus das Schwimmbecken photographiert und ihn darin. Dann bin ich ins Wasser gesprungen, er hat bald aufgehört mit seinem Training und ich bin zu ihm hin gegangen, weil er wieder nicht verstanden hat, was ich zu ihm gesagt habe. Habe ihn gefragt, ob er krank war und er hat geantwortet, ja, am Nachmittag habe er eine Prüfung, habe meine Frage wiederholt und er hat gesagt, dass er gestern eh da war. Ich habe dich nicht gesehen! Ich war nur ganz kurz da! Er hat gesagt, dass die Vorlesung en bloc war, er sprach es französisch aus und dass er in den USA war und deshalb nicht viel davon mitbekommen hätte. Die Professorin habe so eine einschläfernde Stimme. Er hat sich beschwert über die Leute, die kreuz und quer schwimmen, hat sie gezählt und gesagt, dass nur zwanzig, nein nur fünfzehn Menschen im Wasser seien und schon kein Platz mehr wäre, hat mir erklärt, dass es in den USA Bahnen gäbe und je nach Schnelligkeit müsse man in einer bestimmten Bahn schwimmen, Bademeister passten auf, er hat mir mit den Händen gedeutet, wie die Bahnen gestaffelt seien. Habe ihn gefragt, wo ich dann hin müsste, er hat diplomatisch gelächelt und nichts gesagt. Ich frage ihn, ob die auch nach Geschlechtern getrennt seien, nein, er lacht.
Dann sagt er, dass er wieder im Stadthallenbad schwimmen werde, wenn so viele Leute da seien. Ich beschwere mich, er lacht und sagt, nein, er komme dann nachher wieder hierher, zum Sonnenbaden. Ich sage zu ihm, dass ich nicht ins Stadthallenbad gehen mag, weil ich viel lieber im Freien bin. Erzähle ihm, dass ich eine LOMO gewonnen habe, er fragt mich wie. Bei Blue Danube Radio gab es einen Russischkurs und du musstest in kyrillischer Schrift schreiben, von welchen Wörtern LOMO die Abkürzung sei, von Ленинградское Oптико-Mеханическое Oбъединение, er ist erstaunt und sagt mah oder aah. Habe Baba zu ihm gesagt und bin wieder geschwommen, er ist irgendwie erschrocken, dass ich mich schon verabschiedet habe, hat gesagt, dass er sich das noch einmal durchlesen müsse, bin auf und ab geschwommen, Alla war auch wieder da. Adam ist auf seinem Platz gesessen und hat gelernt, einmal hat er sich den Bauch eingecremt und ich habe ihm dabei zugeschaut, sein Handtuch war taubengrau, dann ist er wieder herum gelaufen, um sich ein Cola light zu kaufen, voriges Jahr hat er immer nur Mineralwasser getrunken. Bin nach vierzig Längen aus dem Wasser gegangen und habe die neue Monographie über Ingeborg Bachmann gelesen, das Design dieser Reihe ist so hübsch und die ersten beiden Nummern sind ihr und Paul Celan gewidmet. Paul Celan war ihre große Liebe, so sind sie im Tod endlich vereint. Kurz darauf war Adam schon wieder im Wasser und ist auf und ab gekrault, aber in der letzten Bahn, ganz hinten. Habe das Wasser photographiert, aber ihn nicht, ein inneres Tabu hat mich davon abgehalten, er ist auch gleich wieder raus gegangen, wahrscheinlich haben ihn die vielen Leute irritiert oder ich mit meiner Kamera. Bin an ihm vorbei Wasser trinken gegangen und habe ihn angelächelt, er hat so liebevoll zurück gelächelt, dann bin ich wieder ins Wasser gesprungen, weil ich erst zwei Kilometer hatte, bin nach oben geschwommen, plötzlich sagte er neben mir im Wasser, dass es seltsam heiß sei, als ob schon Sommer wäre. Ich bin erschrocken, weil er so aus dem Nichts aufgetaucht ist, ließ es mir aber nicht anmerken, er muss zu mir ins Wasser gesprungen sein mit einem vollendeten Kopfsprung, den ich nicht gesehen habe, ich war selig, habe ihn gefragt das Wasser oder die Luft, er ist neben mir geschwommen, so langsam wie ich, und hat gesagt die Luft und dann hat er sich auf den Rücken gedreht und ist so weiter geschwommen, das war unser Ritual, letztes Jahr.
Habe zu ihm gesagt, dass die Tage schon wieder länger werden (was für ein Versprecher, kürzer werden sie), und dann sei schon wieder September, er hat es abgetan, wir sind bei den Startblöcken angelangt und stehen geblieben, habe ihn gefragt, ob er schon alles gelernt hätte, er sagt, dass er gar nicht wisse, was er lernen solle, bedauert wieder, dass er nicht in der Vorlesung war, ich sage, dass er auch einmal durchfallen müsse, dass das eine wichtige Erfahrung sei, er lacht nur. Ich tue alles, um den Abstand zwischen uns zu verringern und sage, dass ich gemerkt hätte, dass du eigentlich Nichts bist, wenn du während des Studiums nicht gearbeitet hast, er sagt altklug, dass er jedem raten würde, zumindest in den Ferien ganz intensiv zu arbeiten, das seien dann diese Hirnis, die seine Chefin die Achtzigschillingleute nenne, die den Saaleinlass machten oder Karten abrissen, die alles um achtzig Schilling machten. Ich sage, dass es die auch geben müsse und denke mir: Soll sie ihnen doch mehr zahlen! Kann es wirklich sein, dass er so naiv ist? Ich sage, dass ich noch zwanzig Längen schwimmen möchte und er sagt, dass er sich noch trocknen lassen müsse. Ich wünschte ihm viel Glück, schwamm auf und ab, war so glücklich, weil er zu mir gekommen ist, wir haben uns sogar im Schwimmen unterhalten, letztes Jahr hat er mich immer nur gegrüßt und ist schnell weiter geschwommen oder ich. Wir haben Fortschritte gemacht, wir haben nicht Schiffbruch erlitten, aber dann sind wir gestrauchelt. Neben ihm auf der Pritsche ist eine halbnackte Tussi gelegen, aber er ist zu mir gekommen, er sass dann noch ein Weilchen dort und ich bin geschwommen, es war so leicht, habe meinen Rhythmus wieder gefunden, deshalb habe ich nicht bemerkt, dass er aufsteht und geht. Sah ihn mit seinem Rucksack über die Steintreppe davon gehen für immer, nein, wie immer, habe ihm nachgeschaut, bis er verschwunden ist. Bin dann auch sofort gegangen. Er hat vorher gesagt, dass jetzt so wenige Leute im Wasser seien, dass er jetzt schwimmen könnte, aber das sei auch nur phasenweise so. Die wollen alle mit dir schwimmen, damit sie sehen, wie schnell sie sind, er sagt verächtlich na super, so wie ich über die Schülergruppen, er habe jedoch das Gefühl, dass er immer langsamer werde, Du schwimmst so elegant! Er könne sich selbst ja nicht sehen, ich werde dich einmal photographieren und es dir dann zeigen, er sagt ja und lacht.