Dinge, insofern sie uns affizieren, sind alle gleich gegenwärtig, wie weit entfernt sie in Vergangenheit oder Zukunft auch immer gedacht oder erwartet sein mögen. Baruch de Spinoza
Ich sollte ihm nicht so deutlich zeigen, wie sehr ich ihn liebe, wollte ihm seine Unsicherheit nehmen und jetzt rächt er sich. Hat er eine Freundin? Aber dann würde sie doch mit ihm schwimmen gehen, ich glaube, er wäre nicht so schüchtern, wenn er eine Freundin hätte, das täte ihm sogar gut. Im Grund gibt es nur eine einzige Frage: Geht es ihm so wie mir, hätte er heute auch am liebsten geweint?
Bevor er los geschwommen ist, ist er untergetaucht. Genießt er es, wenn ich ihm nachschaue, wenn er von dannen geht? Er kann ja hinten nichts sehen, er müsste zum Becken schauen, er schaut aber immer nur geradeaus. Er beobachtet mich aber schon, heimlich, immer noch. Habe ihn wieder vor mir gesehen in der Nacht und am frühen Morgen im Halbschlaf, wollte gar nicht aufwachen deshalb, damit mir dieses Bild nicht vergeht. Was bedeutet das? Denkt er doch an mich? Langsam glaube ich, dass er mich hasst. Ich war schon um dreiviertel Eins im Wasser, zu Mittag ist meine tote Zeit, da weiß ich nie, was ich tun soll, habe zuerst Indigos Brief gelesen, dann mein neues Lieblingsbuch, den Architektführer von Wien, mein biologischer Vater ist Architekt, ich werde eine Hommage an Helmut Richter schreiben, für die Schule am Kinkplatz. Er ist erst kurz vor Zwei gekommen, bin vorher über die Schmelz gegangen, überall lag Schnee. Jetzt schaue ich mir alle Gebäude ganz genau an. Heute habe ich mir die Stadthalle genau angesehen. Er hat mir nicht gewinkt, hat sogar weg geschaut, als ich zu ihm hin geschaut habe, hat plötzlich so dunkel gewirkt, als ob er sich geschminkt hätte. Ich bin zum tiefen Ende geschwommen, war perplex oder habe ich das erwartet? Er ist sofort in die siebte Bahn gesprungen, in der sechsten Bahn waren wirklich sehr viele Leute, aber es war ein deutliches Zeichen.
Er ist geschwommen und geschwommen, ohne inne zu halten. Einmal ist er doch stehen geblieben, ich bin auch stehen geblieben und habe seinen Namen gerufen, hat es nicht angefangen, als ich ihm nach geschwommen bin und seinen Namen gerufen habe, mag er seinen Namen nicht? Er hat nichts gehört oder wollte nichts hören, habe noch einmal Adam gerufen, er hat tonlos Hallo gesagt. Ich habe ihn gefragt, ob ich ihm auch so auf die Nerven ginge wie die, er hat es wieder nicht verstanden oder wollte es nicht verstehen, hat NAAAAA gerufen, aber es hätte auch JAAAAA sein können. Er hat gesagt, dass er nur warte, bis die oben seien. Ich habe zu ihm gesagt, dass es um eins ganz ruhig war, warum sagt er meinen Namen nie? Er weiß ihn doch! Worauf er gesagt hat, dass er um eins auf der Unni war, es hätte geblitzt und gedonnert. Ja, es war ganz dunkel, das war toll. Wir sind weiter geschwommen. Ich war schon längst fertig mit meinen Längen, bin aber weiter geschwommen, als ich zum seichten Ende schwamm, sah ich, dass Adam in der sechste Bahn steht und schaut. Plötzlich haben zwei blonde kleine Frauen voller Freude etwas gerufen. Sie sahen aus wie Waldviertlerinnen, eine war noch ganz jung, er ist unter der Leine durch und zu ihnen hin gegangen, hat die Kleine geküsst, ich schwamm wieder nach oben, sah nicht, ob er die Andere auch geküsst hat. Es war aber ein französischer Kuss, so wie man Bekannte küsst, es hat eher unbeholfen ausgesehen als leidenschaftlich. War das seine Freundin? Nein, sicher nicht. Es hat so gewirkt, als ob sie sich schon lange nicht mehr gesehen hätten. Oder war das inszeniert, für mich? Vielleicht. Heute war ein Pechtag, heute hat MS Geburtstag und wie könnte es da anders sein? Adam ist noch nie zu mir gekommen, unter der Leine durch und hat mich geküsst. Er hat mich nicht einmal begrüßt, ist dann weiter auf und ab geschwommen wie immer, er ist mir so langsam vorgekommen, ich war sogar vor ihm beim Beckenrand, geht es ihm nicht gut, sind sie deshalb zu ihm gekommen? Ich habe versucht, keine überflüssigen Bewegungen zu machen. Als ich bei der achtzigsten Länge war, habe ich mich auf das Wasser gelegt. Eine Frau mit rot gefärbten Haaren hat mich ständig interessiert angeschaut. War das seine Mutter? Hat sie zu den blonden Mädchen gehört? Ist seine ganze Familie gekommen, um mich anzuschauen? Einmal hat eine von den Mädchen zur Anderen gesagt Sie ist arrogant! Die Andere hat bemerkt, dass ich ihnen zuhöre und hat leise gesagt Ein bissi! Sie sind mit dem Kopf über Wasser nebeneinander auf und ab geschwommen und haben sich unterhalten. Als ich beim tiefen Ende aus dem Wasser gegangen bin, sah ich, dass Adam nach oben schwimmt, und als ich bei der Treppe war, sah ich, dass er beim tiefen Ende stehen bleibt und mir winkt. Ich habe ihm auch gewinkt und bin weiter gegangen, habe es nicht gewagt, zu den Mädchen hin zu schauen. In der Garderobe waren sie nicht. Haben sie auf ihn gewartet? Heute bin ich auch vier Kilometer geschwommen wie er, es ist ganz leicht. Wahrscheinlich ist er zehn Jahre jünger als ich.
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War nach der Arbeit in Schönbrunn, hab einen Platz auf der Schatteninsel bekommen, Adam war nicht da. Ist er zur Free Party gegangen? Habe gelesen, plötzlich stand meine Nachbarin vor mir, sie wollte sich unterhalten, aber ich hatte keine Lust auf small talk. Adam hat mir erzählt, dass er small talk machen musste bei der Premiere, mit den zwei Sponsoren, jetzt ist mir eingefallen, was er gesagt hat: Small Talk ist Arbeit! Nach dem Schwimmen habe ich das Pferdchen in der Abendsonne photographiert, den Schatten beim japanischen Garten und den Ginkgobaum, bis ich herausfand, dass kein Film eingelegt war. Es ist wie verhext. In Hietzing habe ich ein Eis gegessen und in der Buchhandlung Kleemann eine ganze Auslage voller Witwen für ein Jahr gesehen. Ben hat einmal dort gearbeitet und sich über die Chefin beschwert, die immer allen Leuten mit Bestsellern nachgelaufen sei. Hat die Adam dieses Buch aufgeschwatzt? Wohnt er dort in der Nähe? Dienstag. Adam war wieder da. Ich konnte ein paa...