Heute war er wieder nicht da, ich habe Todesangst bekommen wie damals in Schönbrunn, als ich geglaubt habe, ich werde ihn niemals wieder sehen. Es sind noch achtzig Tage bis zum Mai. Robert Schumann Tage. Er ist mir so nahe, ich spüre es. Habe nachgesehen, er war auch am Mittwoch vor zwei Wochen nicht da und am Donnerstag nicht und gestern nicht. Ist er auch krank geworden? Mag er nicht mehr? Im Sommer ist er doch auch immer für ein paar Wochen verschwunden. Er hat schon lange nicht mehr angerufen und wieder aufgelegt. Jetzt trinke ich den chilenischen Weißwein ohne ihn, er schmeckt nach Sonne und Wüstensand, oder heißt es Präriesand? Ich bin ja auch zwei Wochen nicht im Stadthallenbad gewesen, das deutet auf etwas hin. War er genauso erschöpft wie ich, erschöpft vom nutzlosen Warten? Aber wie herrlich ist es, im Wasser zu sein, besser als alles auf der Welt. Fallen ihm die Gaskammern ein, wenn er duschen geht? Könnten wir jeden Tag einige Kilometer schwimmen, wenn es keine sublimierte Energie zwischen uns gäbe? Etwas stimmt jedenfalls nicht. Will er mich nicht treffen? Schwimmt er am Abend oder in der Früh? Was bedeutet dieser Aufschub? Es muss etwas geschehen! Ich war erschöpft und er auch, wir haben uns total verausgabt, ohne ans Ziel zu kommen.
Adam war wieder da, wilde Freude…. Bin an den Startblöcken beim seichten Ende vorbei gegangen, um nachzusehen, ob sein Brett dort liegt. Es war nicht dort, aber ich sah jemanden so unnachahmlich schwimmen wie nur er schwimmen kann. Er gleitet durchs Wasser, er streichelt es, wird selbst zu Wasser. Habe gezittert vor Angst und hätte beinahe nicht gewagt, zu ihm hin zu gehen. Niemand stand am Beckenrand und es sah so aus, als ob niemand in der siebten Bahn wäre. Ich sah zuerst Ruveni und dann erst ihn, er war es wirklich. Bin beim tiefen Ende ins Wasser gesprungen und los geschwommen, ich war langsam, weil ich so aufgeregt war. Als ich beim seichten Ende ankam, ist Adam vor mir im Wasser gegangen, hat sein Brett raus geworfen, er war wieder zornig, weil alle in seiner Bahn schwammen, hat sich nicht umgedreht, ich habe ihn von hinten gefragt, wo er war, er hat gesagt, dass er immer da war. Er hat so wütend gewirkt, ich habe schnell gesagt, dass ich ihn nicht gesehen habe, er hat nicht versucht, mir zu erklären, wo er war. Habe ihn gefragt, wie es ihm gehe und er hat Naja gesagt, hat immer nur nach oben geschaut, wollte er nicht mit mir sprechen? Seine Augen waren ganz rot, ich habe ihn gefragt, wie es ihm gegangen sei bei seinem Referat, er hat wieder Naja gesagt oder Es geht. Ich habe beschlossen, seinen Grant zu ignorieren und habe ihn gefragt, ob es ihn nicht deprimiere, wenn er sich damit beschäftige, er hat gelacht und Nein gesagt und dann Ja, es ist schon arg, aber jemand muss sich damit beschäftigen. Er hat mir wieder erklärt, dass er viel für die Unni tun müsse, ich bin wieder geschwommen, er ist nur da gestanden und hat geschaut, hat mich nicht angeschaut, das hat mich irritiert, er hat gemeint: Die Talente sind wieder unterwegs. Ich habe gelacht, wir sind aneinander vorbei geschwommen, weil die sechste Bahn nicht abgesperrt war, ich habe gesehen, wie er in dem Chaos auftaucht, um sich einen Platz zum Schwimmen zu suchen, er ist noch immer haselnussbraun am Rücken, nach ein paar Längen ist er wieder genervt stehen geblieben, hat zu mir gesagt: Jetzt wird es wirklich eng. Ich habe über die Bademeister geschimpft, die sich um nichts kümmern, Adam hat gesagt, dass er nur noch 500 Meter schwimme. Ich war empört, er hat gelacht und gesagt, dass er wieder die ganze Woche arbeiten müsse. Ich habe den Kopf geschüttelt. Habe das Schwimmen genossen, es ist mir gelungen, alle Bewegungen auf den Punkt zu konzentrieren, von dem aus alles funktioniert, der Rhythmus und die Kraft. Ich habe all meine Energien wieder gefunden aus Freude darüber, dass er wieder da war. Ich glaube, ich frage ihn nie etwas, weil ich mir sicher bin, dass er Nein sagt. Er hatte gar keine Lust, mit mir zu reden. Haben wir uns nicht angelächelt im Schwimmen? Ich hätte ihn am liebsten gestreichelt, Entschuldige, lassen Sie mich in Ruhe! Er hat Turnübungen gemacht in der achten Bahn und dann ist er raus gesprungen, hat auf mich gewartet und mir zugewinkt, hat sich zu mir gebeugt und gesagt Bis Morgen! Und wenn du mich lieb hast, Kindchen, schenk ich dir die Blumen all und vor deinem Fenster soll klingen das Lied der Nachtigall…. (Heine). Da hat er wieder so gelächelt wie immer und dann ist er zur Treppe gegangen und nicht über das Mäuerchen gestiegen. Ich habe ihm noch einmal gewinkt vom Wasser aus, aber er hat es nicht mehr gesehen. Ich habe genickt, als er Bis Morgen! gesagt hat.