24. Mai 1999, Pfingsmontag

Heute war schönes Wetter, bis auf den kalten Wind, aber ich musste am Institut arbeiten bis drei Uhr. Danach bin ich sofort nach Meidling gefahren mit der U4 und nach Schönbrunn ins Schwimmbad gelaufen, auf dem Weg zu meiner alten Wohnung in der Zenogasse, in der ich acht Jahre gewohnt habe mit Mílena, meiner schwarzen Perserkatze. War so aufgeregt, dass ich mich veratmet habe. Mir ist der Reis gegangen, war das ein Adrenalinstoß? Wusste ja nicht, ob Adam da sein wird. Vor dem Eingang standen sehr viele Leute und als ich die vielen Menschen sah, die im Gras und auf den Pritschen lagen, bin ich grantig geworden. Wäre fast gestolpert auf der Steintreppe, die zum Wasserbecken hinunter führt. Bin zum Wasser gelaufen, um zu schauen, wie kalt es ist. Es war überraschenderweise ziemlich warm und ich bin hinein gesprungen und geschwommen, bald sind immer mehr Leute ins Wasser gekommen, wusste nicht, ob Adam da ist und wo, deshalb war ich ziemlich unruhig. Plötzlich sah ich ganz auf der Seite, da, wo die Pritschen sind, Adam schwimmen, habe ihn an seinen unverwechselbaren Bewegungen erkannt, er war noch ziemlich blass, wie ich. Ob er mich gesehen hat? Er hatte ja seine Schwimmbrille auf. Nach vierzig Längen bin ich aus dem Wasser gesprungen, es war ganz leicht, nur als ich zu schwimmen begann, konnte ich kaum atmen, weil ich mich erst beruhigen musste. Das hat ziemlich lange gedauert. Als ich wieder ins Wasser ging, war Adam verschwunden, er ist nur zehn Längen geschwommen, war er schon länger da und wollte mit mir schwimmen? Ich wusste ja nicht, wo er liegt, bin noch ein paar Längen geschwommen und untergetaucht, obwohl es viel zu kalt dafür war. War so nervös, weil ich nicht wusste, wo er ist. Mir war kalt, weil ich noch immer erkältet bin, habe mich in mein Handtuch eingewickelt und zum Wasser geschaut, dann bin ich an den Duschen vorbei Wasser trinken gegangen, war zu aufgeregt, um mir die Leute genauer anzuschauen und jemanden zu begrüßen. Als ich wieder zurück kam, habe ich ein bisschen geschlafen, da ist jemand mit einer blaugrünen Badehose an mir vorbei gegangen, habe geschaut, ob das Adam ist und er war es. Ich kenne ihn ja nur mit nassen Haaren, deshalb habe ich ihn nicht gleich erkannt. Habe gelächelt, er ist an mir vorbei gegangen, hat sich auf einen Sockel gestellt und einen Kopfsprung gemacht, dann ist er auf dem Rücken nach oben geschwommen und hat zu mir her geschaut und ich habe ihm nachgeschaut. Er ist wieder zurück gekommen und hat im Wasser Kunststücke gemacht, an der Breite des Beckens entlang. Er hat sich im Wasser gedreht und gewunden wie ein Fischotte, sah aber erst, als er wieder aus dem Wasser kam, dass er das war, weil ich so myope bin. Er ist genau da, wo seine Sachen waren, aus dem Wasser gekommen. Das lag auf meiner Linie, nicht weit von mir entfernt, nur sah ich nichts, weil mir ein Liebespaar die Sicht verdeckt hat. Adam lag in einem Haufen von Leuten, neben ihm lag ein alter, sehniger, braungebrannter Mann, war das sein Vater? Wagte es nicht, zu ihm hin zu gehen und ihn zu begrüßen. Habe zu lesen angefangen, denn darauf habe ich mich schon den ganzen Winter gefreut. Adam saß auf der Pritsche, mit aufgestützten Ellenbogen und hat ins Wasser geschaut. Las gerade darüber, wie Franza den Naziarzt in seinem Hausboot auf dem Nil besucht und ihn fragt, ob er sie nicht umbringen könnte und mir ist eingefallen, dass Adam eine Affinität zu diesem Thema hat. Kurz danach sah ich ihn mit seinem grünen Rucksack und einer grauen Decke in der Hand alleine davon gehen. Habe bemerkt, dass er kurz innehält, um zu sehen, ob ich ihm nachschaue. Hallelujah! Konnte mich nicht mehr konzentrieren und bin auch gegangen. Bin zur Gloriette spaziert, weil ich gehofft habe, ihm noch einmal zu begegnen. Auf dem Weg krochen lauter fette Nacktschnecken, ich war entsetzt, aus meiner tiefsten Seele kam ein Schmerzenslaut so wie damals, als MS zu mir gesagt hat, dass er nie wieder nach Wien komme oder vielleicht in ein, zwei Jahren, weil Adam schon wieder verschwunden war, ohne mich zu begrüßen, habe zur Johnstraße hinüber geschaut zu meinem Haus. Hat meine Seele schon vor mir gewusst, dass ich Adam verloren habe? 

Während ich hier schreibe, sehe ich die Gloriette von der anderen Seite im Abendlicht, das beruhigt mich. Waren wir nicht schon einmal zusammen im Schönbrunnerbad, dieses Jahr, hat er nicht zu mir gesagt: Das muss man in Etappen machen! als ich im Wasser war und an ihm vorbeischwamm und er auf der Pritsche saß, weil es so kalt war? Bin weiter gegangen zum Botanischen Garten, zwei Frauen haben alle Blätter unter dem Ginkgobaum aufgesammelt, es war so schön warm, aber nicht heiß, habe mir die Schläge des Lebens angeschaut bei dem Brunnen mit dem Holzrohr, aber es tropfte so langsam und da waren so viele Leute, dass ich gleich wieder gegangen bin. Bin mit dem 10er nach Hause gefahren, in der Straßenbahn habe ich weiter gelesen, in den Bussen und Straßenbahnen und Ubahnen kann ich mich noch konzentrieren, sonst nirgends mehr. Laurenz war heute im hinteren Studio, als er noch vorn kam, hat er mir zugezwinkert.

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