War nach der Arbeit in Schönbrunn, hab einen Platz auf der Schatteninsel bekommen, Adam war nicht da. Ist er zur Free Party gegangen? Habe gelesen, plötzlich stand meine Nachbarin vor mir, sie wollte sich unterhalten, aber ich hatte keine Lust auf small talk. Adam hat mir erzählt, dass er small talk machen musste bei der Premiere, mit den zwei Sponsoren, jetzt ist mir eingefallen, was er gesagt hat: Small Talk ist Arbeit! Nach dem Schwimmen habe ich das Pferdchen in der Abendsonne photographiert, den Schatten beim japanischen Garten und den Ginkgobaum, bis ich herausfand, dass kein Film eingelegt war. Es ist wie verhext. In Hietzing habe ich ein Eis gegessen und in der Buchhandlung Kleemann eine ganze Auslage voller Witwen für ein Jahr gesehen. Ben hat einmal dort gearbeitet und sich über die Chefin beschwert, die immer allen Leuten mit Bestsellern nachgelaufen sei. Hat die Adam dieses Buch aufgeschwatzt? Wohnt er dort in der Nähe?
Dienstag. Adam war wieder da. Ich konnte ein paar Tage nicht schwimmen, weil schlechtes Wetter war, er ist auch nicht mehr ins Bad gekommen. Gestern habe ich in der Frühe dort angerufen, es war noch diesig, Herr Poehn hat gesagt, dass er nicht aufsperren werde, denn das koste ihn eineinhalb Millionen, die müsse er aus eigener Tasche zahlen. Bin in die Stadt gefahren und habe bei Trześniewski gefrühstückt. Mir war schlecht, meine Migräne war wieder da, weil ich ein paar Tage nicht geschwommen bin, hatte solche Sehnsucht nach Adam, konnte es überhaupt nicht mehr ertragen. Sie kommt immer, wenn ich mich so verlassen fühle, es hängt damit zusammen, dass niemand für mich sorgt, mir etwas zu essen macht, dann kommen diese Kopfschmerzen und mir wird schlecht. Habe geträumt, dass ich mit ein paar Leuten in einem Restaurant bin, dass ich mich an Adams Schulter lehne, dass er sich überhaupt nicht bewegt, hatte Angst, dass mich Adam verlassen hat, dass ich ihn so bald nicht wieder sehe. Das war der Grund für die Migräne, meine Unterbewusstes hat es vor mir gewusst.
Das Wetter war noch immer schlecht, aber als ich zu Hause war, ist es schön geworden. Habe wieder angerufen und Vesna hat gesagt, das Bad sei geöffnet. Bin sofort hingefahren und als ich zum Becken kam, sah ich, dass Adam schwimmt und Solange auch. Bin genau bei seiner Bahn stehen geblieben, weil ich gehofft habe, dass er auch stehen bleibt, aber er hat eine Wende gemacht und ist weiter geschwommen. Ich bin auch geschwommen, es ist immer schöner geworden, das Wasser war kalt und klar. Solange hat mir zugewinkt, dann Alla, nach ein paar Längen ist auch Adam stehen geblieben, hat am Beckenrand gewartet, bis ich angekommen bin, das hat ziemlich lange gedauert. Er hat mir zugerufen, dass er die Karten reserviert hätte. Du bist nett! Ich habe den Termin vergessen! Das ist ja jetzt noch egal, du kannst es mir ja noch sagen, das ist ja erst im September. What will we be when summer’s gone? Habe ihn gefragt, ob er das dicke Buch schon fertig gelesen hätte, er hat mir erklärt, dass es so fad sei, dass er es immer wieder weg gelegt hätte, dass er normalerweise ein Buch, das ihm gefalle, in zwei oder drei Tagen ausläse, habe ihm erzählt, dass ich nur ein Buch von Irving angefangen hätte, das, wo sie die Bären in Schönbrunn befreien wollten, dass ich auch nur ein Viertel gelesen hätte, weil ich es auch so fad gefunden habe. Habe mir das damals nur wegen Mischa gekauft, weil er es so mag. Mischa, der ums Eck von Adam in der Preindlgasse gewohnt hat, hat ihm das auch die Buchhändlerin Kleemann angedreht? Adam hat nachdenklich gesagt, das sei das einzige Buch von John Irving, das er noch nicht gelesen hätte. Er habe eine ganze Batterie von dem gelesen! Habe ihm erzählt, dass ich beinahe ins Stadthallenbad gegangen wäre, weil ich Pöhn angerufen habe und er gesagt habe, er sperre nicht auf. Adam hat ja gesagt und süffisant gelächelt. Es sei dann ja doch noch schön geworden.
Wir sind wieder los geschwommen. Irgendwann ist Solange gekommen und hat mit ihren Kopfsprüngen angefangen, sie hat zu mir gesagt, das sei ihre crise du cirque. Quelle crise? Du cirque! Ich habe gelacht, hinter uns ist Adam geschwommen, habe gesehen, wie er lächelt. Irgendwann ist er aus dem Wasser gesprungen, seine Sachen lagen wieder auf dem Gartenstuhl, hat er noch immer keinen Schlüssel? Er hat sich umgezogen. Klaus ist auch gekommen und bei mir am Beckenrand stehen geblieben. Er hat gesagt, dass er jetzt auch an unserem Institut arbeiten wolle, aber im Außendienst. Adam hatte ein gelbschwarzes Leibchen mit Blockstreifen an, er scheint breite Streifen zu lieben oder seine Mutter, die passen ihm aber gar nicht. Er hat sich angezogen und darunter seine Badehose ausgezogen, denn das Leibchen war so lang wie ein Kleid, ich bin am Beckenrand stehen geblieben und habe zu ihm hin geschaut, er war gerade dabei, sich die Socken anzuziehen, ich habe gerufen: Geh nicht weg! Er hat freundlich zurück gerufen: Ich muss aber! Habe gestöhnt und bin weiter geschwommen. Als ich wieder zurück schwamm, sah ich, dass er gerade davon geht, aber nicht über die Steintreppe, über die er sonst immer davon geht, sondern über die Treppe ganz hinten, beim Klo. Wollte er sich noch kämmen? Ich habe ihn nicht mehr gesehen.
Solange hat mir erzählt, dass sie ihn begrüßt hätte, sie hat Hallo Adam zu ihm gesagt. Bin wütend geworden, aber vor allem auf mich selbst, weil ich ihr gesagt habe, wie er heißt. Sie hat sich entschuldigt und gefragt, ob sie einen Fehler gemacht habe. Ich bin auch gegangen. Mittwoch. Um fünf Uhr Morgens war es wieder so trüb, dass ich mir gedacht habe, es wird nie wieder schön. Adam hat mir dann im Bad erzählt, dass er schon um sechs Uhr morgens im Theater war, um eine Seminararbeit fertig zu schreiben, habe dann noch weiter geschlafen bis halb neun. Habe eingekauft für das Frühstück und bin zu Fuß zum Schönbrunnerbad gegangen, denn der 10A ist mir davon gefahren. Wollte eigentlich nur bis zur Haltestelle nach der Brücke gehen, aber dort ist mir der Bus wieder davon gefahren, ich habe aufgegeben. In Schönbrunn waren nur Alla und Solange, bin geschwommen und habe auf Adam gewartet, denn der Himmel ist blauer und blauer geworden, die Sonne ist hervor gekommen und plötzlich war es ganz heiß. Irgendwann ist er angezogen beim seichten Ende vorbei gegangen und hat mir ganz leicht gewinkt. Er hatte einen langärmeligen Pullover an, war viel zu warm angezogen für dieses Wetter, ist zu den Pritschen gegangen. Ich habe ihn gefragt, wo er hingeht. Er hat es mir gezeigt und daher gesagt. Er hat sich nicht auf den Platz gelegt, wo er sonst immer liegt, sondern viel näher zu mir, aber an den Rand der nächsten Pritsche und dazwischen war ein Abstand, ein Abgrund. Er ist zum tiefen Ende gegangen und hat seinen pullbuoy unter den zweiten Sockel gelegt. Ich war gerade in seiner Nähe und habe ihn gefragt, welchen Tag er reserviert hätte, er hat gesagt, er habe vergessen, nachzuschauen, er glaube, es sei Mittwoch, aber es sei ja noch genug Zeit. Das Wort Zeit hat er so lang gezogen wie die Wiener. Bin auch wieder geschwommen, so schön wie heute war es schon lange nicht mehr! Das Wasser war klar und kalt und rein und es ist heiß geworden, der Himmel war kaum noch bewölkt. Wenn nicht ein langhaariger, blasser Mann, der wie der Tod persönlich ausgeschaut hat, im Wasser gewesen wäre, wäre alles perfekt gewesen. Der Mann war totenblass. Nach sechzig Längen habe ich mich auf meinen Platz gesetzt und Adam zugeschaut, Solange hat inzwischen wieder mit ihren Kopfsprüngen angefangen. Sie tut das immer, wenn Adam im Wasser ist. Macht sie das absichtlich?
Wahrscheinlich. Langsam nervt es mich. Wir haben Adam beobachtet. Sie hat zu mir gesagt, dass er es sehr wohl bemerkt und gelacht hätte. Ich habe bei seinem Brunnen Wasser getrunken. Während ich las, habe ich ihn hinter mir vorbei gehen sehen mit seinem Waschbrett, er ist noch ein Weilchen geschwommen, dann ist er zum Brunnen gegangen, Wasser trinken. Dann ist er wieder geschwommen, obwohl er seine Streckübungen schon absolviert hatte. Ich war auch wieder im Wasser, weil ich ihn umarmen wollte, ich hatte einen ganz starken Drang, bin auf ihn zu geschwommen, er schwamm auf dem Rücken, ich habe ihn angelächelt, er hat zurück gelächelt, seine Augen waren ganz dunkel. Ich habe sein schönes Gesicht wieder ganz deutlich gesehen. Nur die Schönheit setzt den Geist in Bewegung. (Ingeborg Bachmann) Alla ist auch ins Wasser gekommen und neben Adam geschwommen, genau neben seiner Bahn. Ich bin in Panik, weil ich glaube, sie wollen ihn mir wegnehmen. Als er an meinem Platz vorbei ging, habe ich seinen Namen gerufen, er ist zurückgekommen und hat mich gefragt, was sei. Nichts. Er wollte schon wieder gehen, genervt, habe traurig gerufen: Bleib! Das hat ihn verlegen gemacht, er hat herum geredet, dass er ja dann gehen müsse, ich habe schnell gesagt, dass ich auch gleich gehen müsse, er hat mir erklärt, dass er sich zuerst noch etwas zu trinken holen werde. Ich wusste nicht, ob er wieder kommt, habe mich umgedreht und gelesen, plötzlich hat er hinter mir gesagt, dass es noch schön geworden sei. Habe mich umgedreht und da stand er mit einem Cola light und Mannerschnitten. Wir haben uns unterhalten, habe ihn aufgefordert, sich zu setzen, er hat sich ganz an den Rand der Pritsche gesetzt. Mein Gott, warum sind wir so schüchtern? Er hat wieder ganz abfällig über die Filmakademie geredet, das sei kein richtiges Studium, ja, aber es ist interessant, nein: Die Dampfplauderer sind da unterwegs! Habe ihn gefragt, ob es dort nicht so viele Feministinnen gäbe, er meinte, seine Dosis Feminismus hätte er schon bekommen durch Gertrud Koch. Er hat sich beschwert, dass Feminismus im Studienplan verankert werden solle, aber zum Beispiel Wirtschaft nicht, das sei bei Filmen doch viel wichtiger. Jetzt habe ich süffisant gelächelt. Er habe ein paar Seminare auf der Geschichte gemacht, wegen dem Thema für seinen Diplomfilm, bei Götz Aly, den könne er mir empfehlen, die auf der Geschichte seien zwar strenger, aber auch nicht besser. Sie schauten nur genauer, ob man richtig zitiere. Habe ihn gefragt, ob Götz Aly der aus Berlin sei. Adam hat maliziös gesagt: Ja, der ist von Berlin! Habe ein Interview mit ihm im Falter gelesen, auf dem Weg zum Stadthallenbad, vor ein paar Wochen, danach habe ich Adam gesehen und mir überlegt, ob er ihn kennt, weil er als Gastprofessor in Wien war. Adam hat mir erzählt, dass er ein Seminar und eine Vorlesung bei ihm besucht hätte, dass Aly zwar umstritten und provokant sei, aber Pep in Diskussionen bringe, denn die Diskussionen unter Historikern seien immer sehr fad, dass er extra von Berlin her geflogen sei, um die Seminararbeiten mit seinen Studenten zu besprechen, dass er jetzt fast mit seinem Studium fertig sei, aber bis jetzt noch nie jemand mit ihm über eine Seminararbeit oder einen Film gesprochen hätte, er wirkte so traurig, als er das gesagt hat, die läsen nur Inhaltsangaben und Bibliographien und schauten, ob man ein nettes Layout gemacht hätte, ich habe gesagt, dass es in Wien wirklich schlimm sei, habe ihm erzählt, dass Solange ein Doktorat von der Sorbonne habe, die gingen alles durch, Punkt für Punkt und sagten, das sei falsch und das sei falsch. Wir haben uns noch über Charlotte Teuber unterhalten, weil ich sie einmal interviewt habe, denn sie hat Hannah Arendt gekannt, er wollte eine Prüfung bei ihr machen, ohne in der Vorlesung gewesen zu sein, er mache das öfters, aber da stand als Grund der Absage, sie sei verstorben.
Dann hat er mir erzählt, dass er seit sechs Uhr morgen im Theater war, weil er dort einen großen Computer habe, er habe noch eine Seminararbeit fertig geschrieben, er hat schon selbst gelacht, weil er gewusst hat, dass ich mich wieder wundern werde, er wollte nur das Layout dort machen. Er erzählt mir, dass er es dorthin geschickt habe per e-mail von zu Hause aus, er gehe immer dorthin, wenn niemand dort sei, weil sonst lauter Leute zu ihm kämen, die sich nicht mit dem Computer auskennen, es sei aber nicht seine Aufgabe, ihnen das zu erklären. Du wohnst schon dort! Und dann? Dann bin ich da her gekommen. Er hat auf seine Mannerschnitten geschaut und gesagt, das sei nicht das beste Mittagessen. Er hat so geziert gegessen wie MS immer. Warum irritiert mich das so? Seit ich mit MS zusammen war, habe ich bei jedem Mann panische Angst, dass er schwul ist. Habe Adam gefragt, wie spät es sei, er meinte, die Uhr sei doch eh so groß, ja, aber ich sehe so schlecht. Es war 14 Uhr 30. Time to go. Adam hat gesagt, dass er noch ruhen müsse. Er hat sich verabschiedet und ist zu seinem Platz gegangen, hat noch gesagt: Bis morgen. Falls es schön ist. Er meinte, dass sie so viel Chlor ins Wasser geschüttet hätten, neues Chlor, ich meinte, dass Cola light auch reines Gift sei, er hat abgewinkt. Hast du nichts vom Colaskandal gehört? Das ist ja nur in Belgien so! Uns ist nichts mehr eingefallen, wir sind verlegen geworden, habe mich auf den Rücken gelegt und er ist gegangen. Habe noch ein bisschen gelesen und geschlafen und mich von Solange verabschiedet, sie hat mich genervt, weil sie mir erzählt hat, was Adam alles getan hat, obwohl ich ja selbst dabei war. Sie beobachtet uns ständig und besonders ihn. Sie hat wieder mit ihrem Unsinn gefangen, ich sei Erde und er Feuer und alles hänge mit meinem Zyklus zusammen. Nein, du irrst dich, wir sind beide Wasser. Ich verabscheue dieses Denken. Ständig sagt sie mir, ich solle ihn nach seinem Geburtstag fragen, damit sie noch mehr astrologische Weisheiten von sich geben kann. Am Sonntag hat sie mich fasziniert, weil sie mir erzählt hat, wie sie in der Wüste auf dem deutschen Friedhof war, ich glaube es war El Alamein, ihre Seele sei ausgetreten und in die Sonne geflogen und dann wieder zurück gekehrt. Sie hat mir noch erklärt, dass Adam weiter sei als ich, dass er mehr Intuition hätte. Ich bin gegangen. Als ich am Hügel war, habe ich noch einmal zu Adam hinunter geschaut. Er lag auf seinem Platz und hat geschlafen. Vielleicht hat er ja auch nur zu mir hinauf geschaut.