Adam war ein paar Tage nicht in Schönbrunn, das hat mich nervös gemacht, ist er wieder auf’s Land gefahren, er hat gesagt, dass er alle fünf Wochen dorthin fahre. Heute war ein trüber Tag, ich hatte frei, weil wir wieder einmal übersiedeln, bin zuerst gar nicht ins Wasser gegangen, weil es angenehm ist, zu lesen, wenn die Sonne nicht scheint. Kurz nach zwölf Uhr ist Adam mit seinem pullbuoy und einem Handtuch die Stiege herunter gelaufen und nachdem er beides in eine Ecke gelegt hat, sofort schwimmen gegangen. Er ist an mir vorbei im Wasser hinauf und hinunter gekrault, während ich auf der Pritsche las und nur die Hand ausstrecken hätte müssen, um ihn zu berühren. War so aufgeregt, dass er wieder da ist, dass ich mich überhaupt nicht mehr konzentrieren konnte. Ich wollte noch den Abschnitt beenden, habe überhaupt nichts mehr verstanden, weil ich geistig schon im Wasser war. Bin Wasser trinken gegangen und dann auch geschwommen, wir sind manchmal nebeneinander angekommen, aber das war mir peinlich und ich bin in eine andere Bahn geflüchtet. Nach ein paar Längen habe ich aus den Augenwinkeln gesehen, dass Adam sein Waschbrett davon trägt, er ist wieder zurück gekommen und ich bin ein paar Meter von ihm entfernt stehen geblieben, er hat sich über mich gewundert und Hallo gerufen, bin dann doch zu ihm hin gegangen, er hat gesagt, dass er es eilig habe, weil er ein Referat halten müsse, über visual effects, was ist das? Das sind Effekte, die nicht beim Drehen hergestellt werden, sondern erst nachher am Computer, ach ja, gestern hatte er auch schon ein Referat, aber der Professor sei so lästig, er glaube, der trinke, warum? Er sei so launisch, manchmal ganz angenehm und dann zerfetze er wieder alles. Habe ihn gefragt, ob er BESCHREIBEN DES HOLOCAUST wolle, weil ich es zweimal habe, weil ich mir nie merke, welche Bücher ich schon habe, er hat ja gerne gesagt und sich gefreut. Er müsse nachher noch arbeiten, das Referat sei um fünf, ich wundere mich, dass du nie zusammen brichst, er meinte, dass er manchmal ja gar nichts mache, aber dann wieder ganz viel. Will er mir gefallen? Habe ihm erzählt, dass ich auch nie etwas gemacht hätte und dann alles auf einmal, weil da hätte ich einen Rappel bekommen. Er hat gemeint, dass es gut so sei, dass das Wetter schlecht sei. Ich habe zu ihm gesagt, dass ich das Buch holen werde, denn es sei oben in der Kabine, er hat gesagt, dass er nachher bei mir vorbei komme, und wenn ich im Wasser bin? Ich lege es auf deinen Platz. Gut! Ich bin zu meinem Platz gegangen, um den Schlüssel zu holen und bin das Buch holen gegangen. Habe sein blaues Handtuch aufgehoben und das Buch darunter gelegt, mit der Rückseite nach oben. Wir sind weiter geschwommen, irgendwann ist er aus dem Wasser gesprungen und zu seinem Platz gegangen, hat dort Streckübungen gemacht, ich bin geschwommen, er ist in meine Richtung gegangen, das tut er sonst nie und hat sich, als wir beim tiefen Ende waren, noch einmal artig für das Buch bedankt. Habe im Schwimmen gerufen N’y a pas de quoi, er hat es natürlich nicht verstanden, habe es noch einmal gerufen, er hat es wieder nicht verstanden, habe es noch einmal gerufen, er hat aufgegeben oder verstanden. Er stand vor mir, seine süßen Zehen waren genau vor mir, habe ihn gefragt, ob er morgen wieder komme. Nur, wenn das Wetter schlecht sei, denn morgen sei ein Feiertag und da seien wieder so viele Leute. Ach, morgen kann ich ja auch nicht kommen! Er hat sich verabschiedet, ich habe ihm einen schönen Tag gewünscht, er hat ja gesagt, nanu, sonst sagt er doch immer nein, und ist gegangen. Bin weiter geschwommen, bis ich sechzig Längen hatte. Die zwei, die vor ein paar Tagen irgendein Theaterstück im Wasser geprobt haben und wahrscheinlich vom Reinhardtseminar sind, sind auch geschwommen. Habe gehört, wie der Mann sagt, dass sich die zwei gegenseitig anspornen, hat er uns gemeint? Bevor ich schwimmen gegangen bin, habe ich noch die Wolken photographiert. Habe Adam gefragt, wie der betrunkene Professor heiße, er hat mir den Namen gesagt, habe gesagt, dass mir der schon bekannt sei. Woher weißt du das? Ben, ein Kollege von mir, studiert auch auf der Filmakademie, er hat gesagt, der sei so fad, dem könne man gar nicht zuhören. Adam wundert sich und denkt nach, aber mit dem war ich in New York! Mit Ben oder mit dem Professor? Habe ein bisschen geschlafen und geträumt, dass wir in einem Gebirgsbach schwimmen, ich sah Adam den Berg hinauf schwimmen mit denselben Bewegungen und im selben Rhythmus, mit dem er im Schönbrunnerbad oder im Stadthallenbad krault, er hat mich überholt und ist verbissen den Wasserfall gegen die Strömung hinauf geschwommen. Nur wer gegen den Strom schwimmt, kommt an die Quelle. Habe ihm verwundert zugeschaut. Er wird mich bald überholt haben, dann wird es vorbei sein. War das der Kamp? Der ist so seicht, da kann man ja gar nicht schwimmen….
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War nach der Arbeit in Schönbrunn, hab einen Platz auf der Schatteninsel bekommen, Adam war nicht da. Ist er zur Free Party gegangen? Habe gelesen, plötzlich stand meine Nachbarin vor mir, sie wollte sich unterhalten, aber ich hatte keine Lust auf small talk. Adam hat mir erzählt, dass er small talk machen musste bei der Premiere, mit den zwei Sponsoren, jetzt ist mir eingefallen, was er gesagt hat: Small Talk ist Arbeit! Nach dem Schwimmen habe ich das Pferdchen in der Abendsonne photographiert, den Schatten beim japanischen Garten und den Ginkgobaum, bis ich herausfand, dass kein Film eingelegt war. Es ist wie verhext. In Hietzing habe ich ein Eis gegessen und in der Buchhandlung Kleemann eine ganze Auslage voller Witwen für ein Jahr gesehen. Ben hat einmal dort gearbeitet und sich über die Chefin beschwert, die immer allen Leuten mit Bestsellern nachgelaufen sei. Hat die Adam dieses Buch aufgeschwatzt? Wohnt er dort in der Nähe? Dienstag. Adam war wieder da. Ich konnte ein paa...